Sonntag, 24. Mai 2009

"Wenn man religions- und strafmündig ist, dann kann man auch wahlmündig sein", so Merk.

http://www.ard.de/zukunft/kinder-sind-zukunft/kinder-sind-hellwach/wahlrecht-ab-null/-/id=520626/nid=520626/did=576342/dv32nf/index.html
Kinder wählen
Wahlrecht ab null

Mit 16 Jahren dürfen Jugendliche in Deutschland heiraten, mit 17 in Begleitung Auto fahren. Doch an der Bundestagswahl teilnehmen - das ist erst ab 18 Jahren möglich. Dies halten einige Experten für ungerecht: Sie wollen ein Wahlrecht von Geburt an.


Bislang dürfen Kinder bei der Wahl nur zuschauen.

Im Grundgesetz ist das Wahlrecht geregelt. Nach Artikel 38 darf bei einer freien, allgemeinen, gleichen und geheimen Bundestagswahl jeder deutsche Staatsbürger seine Stimme abgeben, der "das 18. Lebensjahr vollendet hat".

Eine Regelung, die mehrere Experten und auch Politiker ablehnen, sie fordern eine Abschaffung dieser Altersgrenze. "Politiker würden durch ein Wahlrecht von Geburt an gezwungen, Politik auch für Kinder verständlich zu erklären", glaubt die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt. "Millionen zusätzliche Wähler werden Politik verändern", sagt Schmidt gegenüber tagesschau.de.
"Beitrag zur Generationengerechtigkeit"

Die SPD-Abgeordnete überarbeitet mit einer "Task-Force" einen Gesetzentwurf, der im Jahr 2005 vom Bundestag abgelehnt wurde. Mit dabei sind bekannte Politiker: von der FDP der Bundestagsvize Hermann Otto Solms, Schmidts Fraktionskollege Steffen Reiche sowie Katharina Landgraf und Johannes Singhammer von der Union. Die Abgeordneten nehmen sich auf eigene Initiative des Themas an, noch vor der Sommerpause soll das Papier den Fraktionen vorgestellt werden.

Für Schmidt geht es darum, "eine Wahlungleichheit zu beseitigen" und die Altersgrenze 18 aus dem Grundgesetz zu streichen. Hinter der Initiative steht die Idee, dass Kinder und Jugendliche als Wählergruppe ein Gegengewicht zum immer weiter steigenden Durchschnittsalter der Wähler bilden sollen. So könnten die Interessen der jungen Generation gewahrt bleiben, während es immer mehr Ältere in Deutschland gibt. "Das ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit", so Schmidt.
Eltern vertreten ihre Kinder

Zu den Befürwortern eines Wahlrechts für Kinder gehört auch Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt. Stellvertretend für die Kinder sollten die Eltern zunächst das Wahlrecht ausüben: "Wenn auf einen Schlag über 13 Millionen Stimmen mehr für Kinder da sind, dann würden die Parteien ganz andere Programme schreiben", glaubt Milbradt.

Der Münchner Jurist und Sozialwissenschaftler Kurt-Peter Merk meint, dass die Eltern am ehesten im Interesse ihrer Kinder handeln würden. Merk gehört zu den aktivsten Kämpfern für ein Wahlrecht von Geburt an. "Es geht darum, die Diskriminierung eines Teils der Bevölkerung zu beenden", erklärt der Wissenschaftler. Das im Grundgesetz festgelegte Wahlalter von 18 Jahren verstoße gegen die Menschenwürde und das allgemeine Wahlrecht, so Merk, der deswegen Verfassungsklage eingereicht hat.

In einigen Bundesländern dürfen Jugendliche ab 16 an Kommunalwahlen teilnehmen.
"Wahlmündig" mit 14 Jahren?

"Es ist inzwischen Konsens, dass 18 Jahre ein zu hohes Alter für das aktive Wahlrecht ist", so Merk. 16 Jahre sei derzeit in vielen Bereichen als Altersgrenze anerkannt, Jugendsoziologen sähen sogar ab einem Alter von 14 Jahren bei Jugendlichen die nötige Reife erreicht. "Wenn man religions- und strafmündig ist, dann kann man auch wahlmündig sein", so Merk.

Der Kinderschutzbund tritt bereits seit 1993 für die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre ein. "Das Thema Wahlrecht von Geburt an wird bei uns kontrovers diskutiert", bestätigt Bundesgeschäftsführerin Paula Honkanen-Schoberth. Es gelte aber generell, die Position von Kindern als Bürger zu stärken.
Keine eigene Stimmabgabe

Gegner eines solchen Wahlrechts argumentieren, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter in der Praxis ihre Stimme nicht selber abgeben können. Schon 2004 sprach sich etwa die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen gegen einen Leitantrag des Parteitages zum Familienwahlrecht aus. Das Wahlrecht sei persönlich und lasse keinerlei Übertragbarkeit zu, "auch nicht auf die eigenen Eltern". Das in Artikel 38 des Grundgesetzes festgeschriebene gleiche Wahlrecht werde durch eine Familienregelung verletzt, die Übertragung der Stimmabgabe auf die Eltern sei ein Bruch des Wahlgeheimnisses.

Kritiker bemängeln auch eine mögliche Verletzung der politischen Gleichheit. Denn wenn sich die Eltern politisch uneinig seien, werde die Entscheidung für die Stimmvergabe des Kindes schwierig. Die Befürworter argumentieren dagegen, dass die Gleichheit vielmehr dadurch verletzt sei, dass Kinder gar keine Stimme hätten. Kurt-Peter Merk regt an, jedem Bürger zwei Stimmen zu geben, um die Stimmen wahlunmündiger Kinder auf die Eltern aufteilen zu können. Auf kommunaler Ebene gibt es in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bereits das Wahlrecht ab 16 Jahren.

Dies streben die Bundestagsabgeordneten Schmidt, Solms, Reiche, Landgraf und Singhammer aber offenbar nicht an. Sie wollen wirklich das Wahlrecht von Geburt an. Allerdings sollen bis zu einem gewissen Alter die Eltern die Stimme für ihre Kinder abgeben. Dafür brauchen sie aber eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit. Ein ehrgeiziges Ziel, das wohl kurzfristig nicht zu erreichen ist.

Autor: Frank Zirpins

* Kommentare
Viele Internet-Nutzer haben uns ihre Meinung zur Frage: "Wahlrecht ab 0 - ja oder nein?" geschrieben. Die Kommentar-Möglichkeit ist inzwischen beendet. Alle Kommentare finden Sie nachfolgend zum Nachlesen.

Sandra | 23.04.2007 | 11.43 Uhr
Entscheidungen im Umweltschutz und der Familienpolitik betreffen unsere Kinder viel mehr als uns selbst. Ich möchte nein zu Umweltsünden, Kindergeld-Kürzungen, unsinnigen Schulreformen sagen. Auch auf das Risiko hin mich zu irren und vielleicht nicht im Sinne meiner Kinder gewählt zu haben, dieses Risiko gibt es nun mal bei jeder Entscheidung. Und ich möchte die größeren Kinder in die Entscheidung einbinden, auf daß sie früh demokratische Regeln lernen. In der Regel werden sich Eltern für nachhaltigere Politik einsetzen als Kinderlose.
Kati | 21.04.2007 | 18.15 Uhr
Liebe Marie, Deine Ängste, Eltern könnten die Stimme ihrer Kinder mißbrauchen, kann ich nicht teilen! Wir sollten die Macht der Gedanken besser positiv nutzen.
Aus den Upanischaden: Krishna schickt einen bösen König in die Welt, um einen guten Menschen zu finden. Zurückgekommen meint dieser: Alle Menschen sind grausam, gierig, habsüchtig und böse. Dann schickt er einen gütigen König, der einen bösen Menschen finden soll, dieser: Es mag Leute geben, die Fehler machen, vielleicht weil sie misshandelt oder unterdrückt oder irregeleitet wurden. In ihrem Herzen sind alle Menschen gut!
Eine simple Rechnung: Wenn es Eltern und der Gesellschaft, also allen gut geht, dann wird es Kindern auch gut gehen!
Marie | 21.04.2007 | 13.11 Uhr
Liebe Kati, da die Eltern für ihre noch nicht selbstständig wahlberechtigten Kinder wählen, werden die Rechte der Kinder überhaupt kein bisschen gestärkt, sondern nur die Rechte einer spezifischen Erwachsenengruppe. Ich sehe daher überhaupt keine Verbesserung für die Rechte der Kinder, weil man ja auch nicht generell davon ausgehen kann, dass Eltern immer zum Wohle ihrer Kinder entscheiden. Das ganze ist also kein Missverständnis sondern schlicht und ergreifend ein undemokratisches, ungerechtes Konzept.

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